Yoga in Peru: Meine eigene Yogastunde und mein erstes Erdbeben

Auch wenn sich inzwischen körperliche Erschöpfung breit gemacht hatte, stand ich auch in der zweiten Woche meiner Yogalehrerausbildung jeden Tag voller Vorfreude auf. Während dem kurzen Weg zum Yoga-Raum stellte sich immer sogleich ein innerer Frieden ein. Wir liefen das kurze Stück durch den Dschungel entlang gigantischer Bäume und dichter Wälder. Lauschten den Klängen der Natur. Aufgeregte Zikaden, zwitschernde Vögel und wild kreischende Affen, die uns während der Yoga-Stunden unter freiem Himmel manchmal einen Besuch abstatteten. Neugierig sprangen sie aus den Bäumen aufs Dach unserer Yoga-Hütte und beobachteten uns ein paar Augenblicke, bevor sie wieder zurück auf die Äste sprangen. Solche Momente versüßten die fordernden Bewegungsabläufe.

Students at Yoga practice in the morning

Beim Frühstück – wenn wir nicht gerade einen „Silent Morning“ hatten – verloren wir uns oft in tiefgründigen Gesprächen. Mit jedem Tag, den wir miteinander verbrachten, wuchsen wir näher zusammen. Entsprechend tiefgründig waren auch die anschließenden Philosophie-Stunden am Vormittag, in denen wir immer mehr Lebensgeschichten, Perspektiven und Emotionen miteinander teilten. Eine Stunde, in der es eher um Bewegung ging, verbrachten wir mit akrobatischen Partner- und Gruppenübungen, die wir zwar eher schlecht als recht absolvierten, dafür aber mit jeder Menge Spaß. An einem anderen Tag übten wir Handstand und Kopfstand. Eine große Herausforderung für mich, bei der ich normalerweise nach wenigen Minuten frustriert aufgebe. Aber die Stunde lehrte mich mehr Geduld und auch, dass ich kleine Erfolge feiern kann.

Pancakes at breakfast

Group Yoga exercise

Um das abschließende Zertifikat zu erhalten, musste jeder von uns Yogis eine eigene Stunde leiten. Eine Aufgabe, vor der ich am Anfang richtig Angst hatte. Doch mit jeder Unterrichtsstunde ging ein Stück mehr von der Furcht verloren. Die Lehrerinnen brachten uns bei, wie wir unsere Einheiten aufbauen und anleiten können und ermunterten uns schon bald, selbst kleine Aufgaben zu präsentieren oder Meditationen anzuleiten. Am Ende wich die Angst sogar eher der Vorfreude, meine eigene Yoga-Sequenz mit den anderen teilen zu können.

Asana practice in the Yoga room

Nach der Hälfte des Tages erwartete uns stets ein buntes Mittagsmahl: Reis mit Gemüse, Arepas mit Bohnen und Guacamole oder Pasta mit Pilzen und karamellisierten Walnüssen standen bereits auf dem gedeckten Tisch, als wir uns hungrig in die Mittagspause verabschiedeten. Die anschließende Verschnaufpause verbrachten wir in der zweiten Woche eher entspannt im Pool oder in unserer Hütte, in der ich mich mit meinem Tagebuch an unsere verglaste Fensterfront setzte und dem Regen zuhörte, wie er auf die Palmenblätter prasselte.

One of the lunch menus: Pasta and a Peruvian potato dish

Our room at Kantu Garden Lodge, the hotel attached to the Yoga school

Mitte der Woche musste ich dann am Abend meine Stunde, einen Vinyasa-Flow, abhalten. Schon nach den ersten Augenblicken verpuffte meine Nervosität und ich hatte viel Spaß daran, mich mit den anderen Mädels zu bewegen. Genauso viel Vergnügen hatte ich auch während die anderen Teilnehmerinnen an den übrigen Tage ihre eigenen Einheiten präsentierten. Alle hatten viel Mühe und Kreativität in ihre Stunden gesteckt und jeweils die eigene Persönlichkeit mit in die Praxis eingebracht. So hatten wir ein breites Spektrum von Yin Yoga mit Hypnose-Elementen über Meditation mit Rock-Musik bis hin zu wilden Tanz-Einlagen.

Yoga class outside in the sunshine

Me enjoying the sun in the pool

Spätabends vor dem Schlafengehen stand meist ein ruhiger Programmpunkt an. Entweder gab es eine Meditation oder kurze Atemübungen (Pranayamas). Besonders in Erinnerung geblieben ist mir jedoch Yoga Nidra, eine Entspannungstechnik, bei der das Bewusstsein in einen Status zwischen Schlaf und Wachsein wandern soll. Tatsächlich fühlte ich mich während der Stunde wie in einer Zwischenwelt, einem gedankenlosen Paralleluniversum, in dem ich gefühlt Stunden verbracht habe. Erst als unsere Lehrerin nach 30 Minuten ein paar Klangschalen ertönen ließ, kam ich wieder zurück in die Gegenwart. Ein echter Gänsehaut-Moment!

End of a Yoga practice: Students lying on the floor in Savasana

An unserem letzten Abend saßen wir – genau wie bei der Eröffnungsfeier – wieder im Kreis um ein Feuer. Dieses Mal sollten wir reihum erzählen, was für uns die wichtigste Lektion oder der bedeutendste Moment in den vergangenen beiden Wochen gewesen war. Nach der ernsthaften Reflektion ging es jedoch spaßig weiter: Unsere Lehrerin Karolina spielte lustige Cowboy-Musik und animierte uns zu einer ausgedehnten Line Dance-Einlage, bei der wir paarweise im Kreis hüpften und uns kaputtlachten.

Sitting in a circle around the fire

Unser letzter Tag startete besonders dramatisch – und zwar mit einem Erdbeben! Wir hatten uns gerade um sechs Uhr morgens für ein letztes Mal Yoga in der Shala, unserer Yoga-Hütte, eingefunden. Plötzlich wackelten die Scheiben der vier gläsernen Wände bedrohlich. Unsere beiden Lehrerinnen bedeuteten uns sofort, den Raum zu verlassen. Während wir nach draußen stürzten, fing der Boden unter uns mit voller Kraft an zu wackeln. Wir konnte uns kaum noch auf den Füßen halten, kauerten uns auf einer Wiese zusammen und blickten uns gegenseitig in die geschockten Gesichter. Erst nach ein paar Minuten kam die Welt wieder zum Stillstand. Eine Stärke von 7,5 betrug das Erdbeben auf der Richterskala. Ein ziemlich gewaltiges Ereignis also. Ganz eindrücklich wurde mir wieder einmal bewusst, wie mächtig die Natur ist und wie klein und unbedeutend der Mensch.

Garden of the Kantu Garden Lodge, the hotel attached to the Yoga school

Closing ceremony of the Yoga teacher training

Wenig später fand in der Shala unsere Abschlusszeremonie statt. Unsere Lehrerinnen hatten den Raum wunderschön geschmückt mit brennenden Kerzen in der Mitte und einem Meer aus bunten Blumen darum herum. Genau wie zu Beginn der Ausbildung stimmten wir zusammen ein Lied an. Dabei liefen mir bereits ein paar Tränen über die Wangen. Bei der anschließenden Gruppenumarmung verschwammen die Flammen der Kerzen in meinem Tränenschleier zu einem einzigen, leuchtenden Streifen. Nachdem wir die Zertifikate erhalten hatten, weinten wir schlussendlich fast alle hemmungslos. Als die Freudentränen nach einer Weile versiegt waren, strahlten wir mit den letzten Sonnenstrahlen, die ich in Peru zu Gesicht bekommen sollte, um die Wette.

Myself laughing at a joke a friend just made

Participants of the Yoga teacher training with their certificates

Unser Abschied verlief leider sehr plötzlich und hektisch. Da ich die Abflugzeiten vertauscht hatte, mussten wir von einem Moment auf den Nächsten Richtung Flughafen aufbrechen. Am Anfang verlief die Taxifahrt nahezu reibungslos. Doch dann mussten wir an mehreren Baustellen minutenlang warten, bis wir weiterfahren konnte. Die Zeit bis zum Flug lief uns davon, also bat ich den Fahrer, gegen einen kleinen Aufpreis aufs Gaspedal zu treten – was dieser dann auch tat!

Palm trees and mountains in the backround

Der Herr peste über Stock und Stein, überholte kleine Motorräder und riesige Laster. Bei seinen teilweise grenzwertige Fahrmanövern ging sogar ein Huhn drauf, das es nicht rechtzeitig über die Straße geschafft hatte. Nichtsdestotrotz versuchte ich, die letzte Fahrt entlang peruanischer Natur und lebhaften Dörfchen zu genießen. Am Straßenrand zeichneten sich die Schäden des Erdbebens ab: Umgestürzte Bäume, abgebrochene Felsbrocken und großes Geröll. Glücklicherweise kamen wir direkt zum Boarding am Flughafen in Tarapoto an, womit wir uns leider endgültig von Peru verabschieden mussten.

View from the airplane

Laura

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