Die rote Fahne, die im Sand steckt, flackert im Wind – Baden streng verboten. Denn das Meer ist wild heute. Die grauen Wellen türmen sich hoch auf, bevor sie sich bedrohlich kraftvoll am Strand brechen. Außer ein paar Spaziergänger halten sich kaum Menschen am Ufer auf. Eine Frau mit Hund. Ein Mann, der seinen circa achtjährigen Sohn auf ein Motorrad hievt.


Wir stapfen einige Meter den Berg nach oben, auf dem Weg zum Titus-Tunnel, einer antiken Flussumleitung aus der Römerzeit. Diese Baumaßnahme sei der Legende zufolge nötig gewesen, weil die jährliche Schneeschmelze die Stadt, durch die der Fluss einst verlief, jeden Winter aufs Neue überschwemmte. Die Anlage ist mit einem mannshohen Eisentor abgesperrt, davor steht ein Kassenhäuschen – allerdings unbesetzt. Wir mutmaßen, dass der Angestellte gerade Mittagspause macht und beschließen, zu warten. Wenig später stößt eine türkische Familie dazu, die uns fragende Blicke zuwirft. Der Vater rüttelt sanft an dem Tor – dabei lässt es sich plötzlich zur Seite schieben. Wir betreten das Gelände. Und sparen uns den Eintritt.

Aus Stein angelegte Pfade weisen uns den Weg durch das Areal. In regelmäßigen Abständen sitzen ältere Damen und Herren am Wegrand und bieten Kaffee, Tee und kleine Souvenirs an. Über eine Holzbrücke gelangen wir schließlich zum Eingang des Tunnels. Eine gigantische, aus Felsen gefertigte Konstruktion. Der Fluss fließt mittendurch. Stellenweise ist es dunkel im Tunnel, eng ist er an keiner einzigen Stelle. Die Nässer erweist sich jedoch als Herausforderung.


Um das Bauwerk zu erkunden, müssen wir entweder am Fluss entlang oder durch den Fluss hindurch gehen, wobei wir über die nassen Steine balancieren müssen. Ständig drohen mir die Füße wegzurutschen. An einigen Stellen sind die Abstände zwischen den Steinen so groß, dass ich sie kaum erreichen kann. An der dunkelsten Stelle müssen wir uns entlang einer Wand über einen dünnen Steg vorwärtsbewegen. Ständig habe ich Angst, dass einer von uns stürzen könnte. Ich kann die eindrucksvolle Sehenswürdigkeit nicht wirklich genießen und bin froh, als wir heil wieder am Ausgang ankommen.

Der eiskalte Honigmelonen-Saft friert zwar mein Gehirn ein, beruhigt aber meine flattrigen Nerven. Mich gelüstet nach etwas Süßem. Der Kellner gibt sich Mühe, in der Küche ein Dessert ohne Milch, Butter und Eier zu bestellen. Wenig später bringt er uns stolz ein kleines Küchlein aus feinen Teigfäden und Nüssen. Er stellt es lächelnd zwischen uns auf den Tisch – und gießt einen kleinen Topf geschmolzene Milch-Schokolade darüber.

Das letzte Abendessen unserer Türkei-Reise nehmen wir auf unserem Hotelzimmer ein. Ein Dürüm, für ihn mit Fleisch, für mich mit Kartoffeln und Ketchup. Der Teigfladen schmeckt fantastisch. Andächtig kaue ich jeden Bissen meiner Kohlenhydrat-Kombination. Wenig später schickt mich das Mahl in den Schlaf. Während ich zu schlummern beginne, tröpfelt draußen ein leichter Regen auf das Metalldach.
Abflughalle. Simit, Tee und ein kleiner Spatz, der sich in den Flughafen verirrt hat. Aufgeregt fliegt der kleine Vogel über die Köpfe der Wartenden hinweg. Einheimische verabschieden ihre Verwandten unter Tränen. Ein letzter Kuss auf die Wangen, links und rechts, bevor man sich umdreht und geht.