Schon mehrere Monaten habe ich den Drang verspürt, nach Rumänien zu fahren. Eine Bekannte von mir hat während des Lockdowns dort viel Zeit verbracht und ihre Bilder haben mich so fasziniert, dass ich das südosteuropäische Land zu meinem nächsten Reiseziel auserwählte. Meine ersten Eindrücke, als ich in Bukarest aus dem Flieger stieg, waren Hitze und Zigarettenrauch. Aus dem verregneten Deutschland war ich mit viel zu dicker Kleidung abgehauen und war froh, mich nach einer kurzen Busfahrt ins Zentrum in Short und Top werfen zu können. Neugierig blickte ich auf Weg in die Stadt aus dem Fenster und sah zu, wie die ländliche Gegend langsam zur Großstadt mit Hochhäusern und blinkenden Werbeanzeigen wurde.


Gespannt brach ich nach dem Check-in ins Airbnb zu einer ersten Erkundungstour auf – und war verwirrt. Ich konnte die Stadt sehr schlecht fassen, es fällt mir schwer, sie zu beschreiben. Ich empfand sie als kuriosen Mischmasch aus grauen Plattenbauten und eleganten Gebäuden, heruntergekommene Kiosken neben klassizistischen Bauwerken, verstaubten Läden neben hippen Cafés und davor Straßenhändler, die Maiskolben und Zuckerwatte verkauften. Plötzlich fand ich mich in einer riesigen Brunnenanlage, den Bucharest Fountains, wieder, umrundet von großen Häuser, auf denen Coca-Cola-Schriftzüge blinkten.


Von allen Seiten her tönte der Lärm des Verkehrs, tausende Autos heizten durch die Straßen und für einen Fußgänger kann es teilweise bis zu einer Viertelstunde dauern, um auf die gegenüberliegende Seite zu gelangen. Als Nächstes stolperte ich in eine Fußgängerzone. Mehrere verwinkelte Gassen voller Kneipen und Pubs, die bereits am Nachmittag gut besucht waren. Am Abend musste es hier so richtig abgehen. Ich setzte mich in eine Bar und beobachtete bei einem Eiskaffee die vorbeigehenden Menschen. Mir das Treiben am Abend noch einmal anzusehen, kostete mich allerdings zu viel Energie. Ich fiel früh ins Bett und war am kommenden Morgen früh auf den Beinen, um die Hauptstadt direkt wieder zu verlassen.


Erstens wollte ich Richtung Natur, rein nach Transsilvanien, und zweites war ich ohnehin nicht sonderlich begeistert von der Stadt. Allerdings habe ich aber auch nur wenige Stunden dort verbracht und Bukarest nicht sehr ausgiebig erkundet. Kann also durchaus sein, dass ich mein Urteil zu schnell gefällt habe. Vor der ersten Zugfahrt stattete ich einer Markthalle auf dem Piața Matache, nahe dem Bahnhof, einen Besuch ab und freut mich riesig über das ganze frische Obst. Aprikosen, Pfirsiche und tonnenweise Melonen, die einen süßen Duft verströmten – noch nie hab ich so riesige Früchte gesehen!


Nach einem kleinen Picknick im Park nebenan holte ich mir Tickets, Kaffee und stieg wenig später in den Zug ein. Erstes Ziel war das Dörfchen Poiana Țapului. Sobald das alte, ruckelige Gefährt die rumänische Metropole verlassen hatte, wurde Grau zu Grün. Dichte Wälder, weite Wiesen und das gewaltigen Bucegi-Gebirge, das sich gen Himmel streckte. Die Züge in Rumänien bewegen sich sehr langsam fort, was einem aber umso mehr Zeit gibt, den Ausblick zu genießen. Weniger schön allerdings sind die Toiletten. Als ich mich kurz erleichtern wollte, klemmte die rostige Tür und ich steckte fest. Nachdem ich aber ordentlich gegen die Wände gehämmert hatte, eilten sofort ein paar Passagiere zur Hilfe.

Am Ziel angekommen verpasste ich sogar den Halt, weil der Schaffner darauf bestand, vor dem Aussteigen mein Ticket noch einmal zu sehen. Währenddessen fuhr der Zug natürlich schon weiter. Der Herr rief dann einen Kollegen im Gegenzug an, der mich problemlos am nächsten Bahnhof mitnahm und am verpassten Ziel rausließ. So kam ich dann doch im kleinen, verschlafene Poiana Țapului an und musste noch kurz zu meiner nächsten Unterkunft, einem sehr goldigen, rustikalen Airbnb laufen. Außer dem gelegentlichen Bellen von Straßenhunden war kaum etwas zu hören. Nach der langen Zugfahrt blieb vom Tag nicht mehr viel übrig, weshalb ich mich mit einem kurzen Spaziergang zum Sonnenuntergang begnügte.

Am folgenden Tag schaute ich mir das benachbarte Städtchen Sinaia an, das trotz seiner geringen Größe vor Leben nur so strotzte. Hotels, Restaurants, Cafés, Souvenirläden und jede Menge Autos und Taxen. Ein absoluter Touristen-Hotspot, der aber trotzdem idyllisch wirkte. Ich suchte erst einmal ein Mittagessen dort. Lief an beeindruckenden, schlossähnlichen Gebäudekomplexen vorbei mit leuchten bunten Blumen in den Vorgärten. Anschließend lief ich den Berg zu Schloss Peles hoch. Die dichte Bebauung wurde immer weniger, bis nur noch vereinzelte Häuschen am Straßenrand standen.


Erst in der Nähe der Attraktion fanden sich wieder Bars, Restaurants und Verkaufsstände. Das Schloss selbst war gigantisch! Ein riesiges, imposantes Bauwerk mit spitzen Türmen, Erkern und zahlreichen Holz-Elementen. Davor erstreckte sich eine Gartenanalage mit Brunnen, dahinter erhoben sich die Berge. Eine richtig märchenhafte Szene! Ich setzte mich eine Weile unter einen Baum in den Schatten und betrachtete die detailverliebte Fassade. Mit dem Anblick von außen war ich bereits so zufrieden, dass ich mir die Besichtigung von Innen sparte. Stattdessen lief ich zurück in die Stadt und aß in einem indischen Lokal zu Abend.


Als ich den Zug zurück nach Poiana Țapului nehmen wollte, war es bereits neun Uhr und die Dämmerung hatte eingesetzt. Da die nächste Bahn erst in zwei Stunden kommen würde, wollte ich erst die 50 Minuten Fußweg nach Hause marschieren. Als mir aber klar wurde, dass es gleich dunkel sein würde und ich direkt auf der Straße mit den Autos und Lkws laufen müsste, gönnte ich mir lieber ein Taxi. Daheim kuschelte ich mich noch ein paar Stunden in die Hängematten, die im Garten unserer Unterkunft zwischen zwei Bäumen aufgespannt war. Genoss die frische Bergluft und versank in meinen Tagträumen.

Weiter ging es am nächsten Tag nach Busteni, ein weiteres Dörfchen wenige Kilometer weiter im Norden. Der Ort besteht aus einer Hauptstraße, auf der den ganzen Tag wilder Verkehr herrschte und vielen, labyrinthartig angeordneten Seitengassen. Bei einem ersten Spaziergang vom Bahnhof zur Pension holte ich mir einen Kaffee und einen Covrig, quasi eine rumänische Brezel, aus einer kleinen Backstube aus der es herrlich duftete und vor der die Menschen bereits Schlange standen. Nachdem ich mein Gepäck in der Unterkunft abgeladen hatte, schaute ich mich nach Wanderwegen um. Davon gibt es in Busteni jede Menge, sie sind einfach zu finden und klar markiert. Allerdings waren aufgrund des eher grauen Wetters kaum Leute in der Natur unterwegs, weshalb ich mich schlussendlich nicht traute, allein auf einen Berg zu steigen.


Stattdessen bewunderte ich die Felsformationen, um die sich dichte Nebelschwaden gesammelt hatten. Erkundeten die Seitensträßchen, in denen sich verfallene Häuser und kleine Hotels aneinanderreihten und schaute mir schlussendlich noch ein weiteres Schloss dort an, das Cantacuzino-Schloss, ein eher schlichteres Bauwerk aus grauem Stein, aber nicht weniger beeindruckend. Zurück in meiner Unterkunft hatte die Hausherrin, die kein Englisch sprach, ihren Neffen herbestellt, der sich im Internet ein sehr solides Deutsch angeeignet hatte. Er war sichtlich glücklich über die Gelegenheit, seine Sprachkenntnisse üben zu können. Bei einem Kaffee quatschten wir noch kurz, bevor ich totmüde ins Bett fiel.
