Rumänien: Ein Besuch bei Dracula und eine unendliche Wanderung

In aller Frühe verließ ich meine Unterkunft in Busteni, holte mir eine ofenfrische, mit Salz und Mohn bestreute Brezel und wartete in der frischen Morgenluft auf den Zug Richtung Brasov. Die ganze Fahrt über klebte mein Blick an der Fensterscheibe. An mir zogen hunderte Grüntöne vorbei. Wiesen, Wälder und die Berge der Karpaten, die auch die Stadt Brasov einkesseln. Nach der Ankunft am Bahnhof musste ich noch ein paar Minuten mit dem Bus zu meinem Hostel fahren. Die Unterkunft befand sich mitten in der Altstadt und bereits auf den ersten Metern war ich restlos begeistert von den farbenfrohen Barockgebäuden und dem geschäftigen Leben auf der Straße.

Old town of Brasov

Cobble stoned street and baroque architecture of Brasov

Die Sonne strahlte und ich war wild entschlossen, auf einen Berg zu steigen. Im Hostel angekommen, fand ich auch direkt Begleitung dafür. Sarah aus Texas und Greg, der gerade mit dem Fahrrad von England nach Indien fährt, schlossen sich mir an und zusammen stiegen wir auf den Tampa am südlichen Stadtrand, auf dem der „Brasov“-Schriftzug thront. Auf den Gipfel gelangt man entweder mit der Seilbahn oder über einen steilen Wanderweg. Wir entschieden uns für Zweiteres und marschierten eine Stunde, bis wir oben angekommen waren. Schweißgebadet genossen wir den Ausblick auf die Stadt. Terracottafarben Dächer und mächtige Kirchen im Zentrum und außerhalb der Stadtmauern Hochhäuser und Plattenbauten. Umringt von leuchtend grünen Hügeln. Wunderschön!

View of Brasov from Tampa mountain

View of Brasov from Tampa mountain

Im Schatten machten wir eine ausgiebige Pause und ließen unsere Augen über die gesamte Stadt wandern. Nach dem Abstieg waren wir erst einmal etwas Essen. Anschließend spazierte ich noch eine Weile alleine übers Kopfsteinpflaster. Ich klapperte ein paar Sehenswürdigkeiten ab: Die schwarze Kirche, den schwarzen Turm, von dem man einen weiteren, fantastischen Blick auf Brasov hat, die Strada Sforii, die als eine der engsten Straßen Europas gilt und den Rathausplatz, auf dem gerade eine Bühne für ein Konzert aufgebaut wurde. Zahlreiche Menschen tummelten sich in den Straßen. Touristen und Einheimische saßen in der Sonne oder tranken Kaffee und Cocktails in einem der zahleichen Lokale.

Houses from Brasov

Tampa mountain with „Brasov“ sign

Black church of Brasov

Es fühlte sich nach einem perfekten Sommerabend an. Genauso sollte der Tag auch weitergehen. Im Hostel lernte ich ein paar weitere Reisende kennen. Gemeinsam beschlossen wir, später auszugehen. Auf Empfehlung von Greg suchten wir uns das „Musik Café“ aus. Ein sehr cooler Laden mit einer großen Terrasse, auf der bunte Stühle standen und Lampions in den Bäumen leuchteten. Bei Bier und Cider verbrachten wir hier ein paar Stunden und schmiedeten Pläne für den nächsten Tag. Zum Abschluss liefen wir noch eine Runde durch die Altstadt und gingen dann schlafen.

„Musik Café“ bar in Brasov

Nur wenige Stunden später trafen wir uns früh am Morgen in einer Gruppe von fünf Leuten im Gemeinschaftsraum. Wir wollten zusammen nach Bran, zum berühmten Dracula-Schloss, der wohl wichtigsten Attraktion von Rumänien, fahren. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist die Attraktion ganz einfach zu erreichen. Von einem Busbahnhof in Brasov aus gibt es eine Direktverbindung. Während der Fahrt bewunderte ich einmal mehr die atemberaubende Natur Transsilvaniens. Am Ziel angekommen nahmen wir als Erstes den Geruch von gegrilltem Fleisch und Dill wahr. Unterhalb des Schlosses fand ein großes Festival statt, auf dem unter anderem traditionell rumänisch gekocht wurde. In gigantischen Töpfen und Pfannen bereiteten Männer direkt über dem Feuer landestypische Spezialitäten zu.

Traditional Romanian food served outside of Bran Castle

Outodoor cooking at Bran Castle

Bei rumänischer Volksmusik gönnten sich ein paar aus der Gruppe einen kleinen Snack. Dann begaben wir uns zum Schloss, vor dem sich am Samstagmittag bereits eine riesige Schlange gebildet hatte. Resigniert reihten wir uns ein. Der Platz, wo wir auf den Einlass warteten, war ein einziger Konsumtempel: Essen, Trinken, Souvenirs, Spielzeug, Kleidung, Musikinstrumente – es hab nichts, was nicht feilgeboten wurde. Schneller als erwartet waren wir dann an der Kasse und im Vorhof des Schlosses – wo es eine weitere Schlange gab. Wir schmunzelten und verbrachten die restliche Wartezeit noch mit Scherzen und Tanzen.

Busy market right before entering Bran Castle

Drinnen angekommen war ich leider nicht besonders beeindruckt. Ich empfand das Schloss im Inneren als viel kleiner und unspektakulärer als von außen. Zudem gingen mir die Menschenmassen tierisch auf die Nerven. Nach einer Weile gab ich es auf, mich auf die Info-Tafeln konzentrieren zu wollen und ergriff die Flucht in den Innenhof. Im Sonnenschein wartete ich auf meine neuen Freunde, die meine Eindrücke teilten. Wir wollen anschließend noch eine Wanderung unternehmen. Unmittelbar hinter dem Bauwerk gibt es einen Wanderweg, der laut Beschilderung innerhalb einer Stunde ins Bergdörfchen Magura führen sollte. Das klang machbar! Wir wanderten los und mussten erst einmal einen extrem steilen Aufstieg bewältigen, der einige aus der Gruppe zwang, sich auf allen Vieren fortzubewegen.

Patio of Bran Castle

Patio of Bran Castle

Nach dem kurzen, aber intensiven Stück legten wir eine Pause ein – und hatten einen perfekten Blick auf das Dracula-Schloss! Der weitere Wanderweg verlief zwar ebenfalls steil, aber deutlich angenehmer als der Anfang. Wir liefen durch dichte, schattige Wälder und über sonnige Lichtungen, die uns eine großartige Sicht auf die Berglandschaft eröffneten. Trotz der Gesellschaft war jeder für sich, in kompletter Stille. Ich hörte nur meinen eigenen Atem und das Zirpen der Grillen. In mir stellte sich ein tiefer Frieden ein und ich hätte noch lange weiterlaufen können. Nachdem wir aber bereits zwei Stunden unterwegs waren, wurde uns klar, dass wir noch eine Weile bis nach Magura brauchen würden. Da aber die Sonne bereits unterging, beschlossen wir, umzukehren und machten uns an den Abstieg.

Panoramic view on the hike to Magura

Hiking trail to Magura with scenic view

View of the Bran Castle

Kurz vor dem Ziel dröhnte bereits die Musik von dem Festival zu uns hoch. Dort machten wir noch einmal kurz Halt und gönnten uns ein Abendessen, bevor wir wieder in den Bus nach Brasov stiegen. Weil ich am nächsten Tag Geburtstag hatte, beschlossen wir, mit der Gruppe im Hostel reinzufeiern. Mit Getränken und riesigen Lautsprechern ausgestattet verwandelten wir die Lobby in einen kleinen Club, spielten Bier-Pong, tanzten und zogen anschließend durch Brasov. Wir endeten in einer Seitenstraße mit vielen Bars und Pubs, vor denen die Menschen zur Musik aus den Lokalen tanzten. Nach und nach löste sich unsere Truppe dann auf. Während wir noch stundenlang draußen tanzten, gingen ein paar Leute zurück ins Hostel und drehten dort die Musik auf – mit der Folge, dass wenig später die Polizei vor der Tür stand! Zum Ende der Nacht hin holten wir uns noch Falafel. Erst gegen sechs Uhr morgens fanden wir in unsere Betten.

Main square of Brasov

Das hielt mich aber nicht davon ab, schon am Vormittag mit den anderen wieder zur nächsten Tour aufzubrechen. Die Unternehmungslust war größer als das Schlafbedürfnis. Wir hatten uns für heute den „Seven Ladders Canyon“ vorgenommen. Eine bekannte Schlucht, die man über sieben Leitern erklimmen kann. Nach einer kurzen Busfahrt waren wir am Eingang zur der Naturattraktion angelangt. Auf dem kurzen Weg zur Kasse hatten sich zahlreiche Food-Trucks positioniert. An einem gab es Kaffee, wo ich mir sogleich einen eiskalten Latte holte. Damit kehrte das Leben wieder in mich zurück.

Climbing up the „Seven Ladders Canyon“

Inside the „Seven Ladders Canyon“

Als wir den Preis von zwei Euro gezahlt hatten, mussten wir (mal wieder) in einer Schlange warten, die sich aber sehr schnell fortbewegte. Wenig später also konnten wir die gewaltige Schlucht betreten. Wir kletterten über die metallenen Sprossen die gewaltigen Felswände hoch, begleitet vom tosenden Rauschen kleiner Flüsse. Der Weg endete auf einer Lichtung, von der aus man entweder zurück zum Eingang oder weiter Richtung Gipfel wandern konnte. Wir entschlossen uns für die letztere Option und begaben uns damit auf die nächste Wanderung. Es ging steil bergauf, was uns ordentlich ins Schwitzen brachte. Doch die Aussicht war jede Anstrengung wert!

View from the top of the mountain

Forests and mountains around the summit

Wir setzten uns auf ein paar Felsen und ließen unsere Blicke über die Täler, Wälder und Berge schweifen. Die Sonne im Gesicht, die frische Bergluft in der Nase und Dankbarkeit im Herzen. Für den Abstieg wählten wir einen anderen, weniger steilen Weg, der dafür mehr Zeit in Anspruch nahm. Erst zum Sonnenuntergang waren wir wieder unten angekommen und mussten feststellen, dass zu der späten Stunde kein Bus mehr fuhr! Es blieb uns nichts anderes übrig, als mit unseren ohnehin schon schmerzenden Füßen noch einmal 50 weitere Minuten Richtung Stadt zu marschieren, zu einer Haltestelle, an der tatsächlich noch ein Bus fuhr.

Walking back to Brasov

People waiting at a bus station in Brasov

Trotzdem mussten wir über die Gesamtsituation lachen. So verflog die Zeit auch wie im Flug. Zurück am Hostel konnten wir uns nur noch bis zu einer Pizzeria in einer Nebenstraße bewegen. Die Augen fielen uns beim Essen fast schon zu. Gut gesättigt fanden wir schnell in den Schlaf.

Laura

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