Noch etwas müde und mit einem leicht vom Wein vernebelten Kopf machte ich mich früh am Morgen wieder auf zur Hauptinsel. Dieses Mal führte mein Weg mich zuerst zur Ponte dell’Accademia, wo ich mir die kühle Luft ins Gesicht wehen ließ. Am Himmel hatten sich große, graue Wolken zusammengebraut und erste Tropfen fielen in das Wasser unter der Brücke. Trotzdem genoss ich die Aussicht auf die Santa Maria della Salute-Kirche und die vielen weiteren, verschnörkelten Gebäude. Ich hatte das Gefühl, genau diese Ecke von Venedig zuvor auf einigen Gemälden gesehen zu haben. Warum gleich mehrere Künstler genau dieses Bild gemalt haben, erschloss sich mir auf den ersten Blick. Auch ich hätte noch ewig dort bleiben können, wollte aber nicht völlig vom Regen durchnässt werden. Also stapfte ich weiter durch die Straßen.


Ich kam an der ältesten Gondelwerft der Stadt (Squero di San Trovaso) vorbei. Im Gegensatz zu den restlichen Gebäuden der majestätischen Stadt eine einfache Holzhütte, vor der ein paar bunte Boote auf ihre Reparatur warteten. Anschließend erreichte ich Canareggion, ein Viertel im Norden der Stadt, wo einst ein jüdisches Getto beheimatet war. Zwar ist der Stadtteil auch bei Touristen beliebt, aber hauptsächlich tummeln sich Einheimischen dort. An den Kanälen saßen viele Venezianer, ließen ihre Beine über dem Wasser baumeln und tranken den ersten Espresso des Tages. In den Seitenstraßen reihen sich süße Cafés, Restaurants und Kunsthändler aneinander.


Ich hatte fürs Mittagessen allerdings einen anderen Plan. Ich wollte „La Tecina Vegana“, das einzige rein vegane Lokal der Stadt ansteuern. Der Laden befindet sich in einem Studentenviertel, in das es kaum einen Urlauber verschlägt. Hohe Wohnhäuser mit weiten Innenhöfen, in denen die Anwohner ihre Wäsche aufgehängt hatten, prägten das Bild. Mir kamen ein paar junge Leute und ältere Damen, die mich neugierig musterten, entgegen. Im Restaurant wurde ich freundlich empfangen. Die Atmosphäre war gemütlich und entspannt – und das Essen einfach fabelhaft! Ich hatte gegrillte Aubergine mit Zwiebeln, Tortellini mit Pilz-Füllung in Weißwein-Soße und ein cremiges Tiramisu.



Überglücklich und mit vollem Magen lief ich zurück Richtung Zentrum – ein ausgiebiger Verdauungsspaziergang! An der Rialto-Brücke, einem edlen, weißen Bauwerk machte ich Halt. Zuerst beobachtete ich die Touristen und Straßenhändler auf der Brücke, anschließend schaute ich mir das Ganze von oben an. Direkt neben der berühmten Sehenswürdigkeit befindet sich das Luxus-Kaufhaus Fondaco Dei Tedeschi. Von der Dachterrasse aus hat man eine einmalige Aussicht über die Dächer, Kirchturmspitzen und Kanäle der Stadt. Da der Himmel inzwischen aufgeklart war, konnte ich in der Ferne sogar die Umrisse der Alpen erkennen! Der Zugang zur Terrasse ist gratis, man muss sich lediglich online einen Platz sichern. Wieder unten angekommen, machte ich noch einen Abstecher in der Eisdiele „Gelatoteca Suso“. Mit einer massiven Eiswaffel in der Hand marschierte ich zurück zum Hostel.



In der Unterkunft angekommen traf ich sogleich auf meine neuen Freunde, mit denen ich wenig später wieder an der Bar saß. Unsere Gruppe von vergangener Nacht fand sich sofort wieder zusammen (bis auf vier Leute, die in ein falsches Boot gestiegen und auf einer völlig anderen Insel gelandet sind). Erneut tranken wir und vertieften uns in Gespräche, sodass die Zeit wie im Flug verging. Plötzlich machte die Bar dicht und die Frau hinter dem Tresen wollte uns ins Bett schicken. Darauf hatten wir natürlich keine Lust und fassten den völlig irren Plan, noch einmal auf die Hauptinsel zu fahren – um drei Uhr morgens.

Nach kurzer Recherche fanden wir einen einzigen Pizzaladen, der angeblich noch geöffnet war. Mit dem Wassertaxi fuhren wir auf die Hauptinsel und wanderten über den verlassenen Markusplatz, der in der Dunkelheit fast schon gespenstisch wirkten. Wir durchquerten ein paar leere Gassen und kam an unserem Ziel „Pako’s Pizza“ an. Der Koch wollte gerade schließen, entschied sich aber dagegen, als er den Trupp williger Kunden erblickte. Wir ließen uns drei Pizzen backen, kaufen vier Flaschen Wein und handelten zudem den Gesamtpreis noch um 20 Euro herunter. Während wir auf das Boot zurück zum Hostel warteten, snackten wir unsere Pizzen und machten uns am ersten Wein zu schaffen. Ein Mädel aus unserer Gruppe hatten ein Zimmer mit zehn Betten komplett für sich allein. Dort saßen wir noch ein Weilchen zusammen, bevor wir – pünktlich zum Sonnenaufgang – in Bett gingen.