Meeresrauschen an einer einsamen Telefonzelle

Das Kauen fiel meinem Bruder schwer, sobald er einen großen Bissen von seinem gigantischen Stück Fudge abgebissen hatte. Das süße Karamell klebte ihm förmlich die Zähne zusammen. Ich hatte mich stattdessen für einen Kaffee entschieden. Es war noch früh am Morgen, als wir zu unserer zweiten Erkundungstour auf der Isle of Skye aufbrachen. Die abgestandene Luft, der verbrauchte Atmen von acht Menschen im selben Hostel-Zimmer, hatte uns kurz zuvor aufgeweckt. Bevor der Bus nach Portree, der Insel-Hauptstadt, kam liefen wir eine Runde durch Broadford. Der Ort, in dem unsere Unterkunft war. Wenig später fanden wir uns in einem kleinen Shopping-Areal wieder, auf dem mehrere Food- und Coffee-Trucks sowie in Schiffscontainern untergebrachte Souvenirläden aufgebaut waren.

Teekanne hängt zur Dekoration in einem Baum

Stein-Häuschen auf der Isle of Skye

Während der Busfahrt klebte mein Blick wieder einmal an der rauen und kantigen Landschaft. Wie grüne Vulkane, die niemals ausbrechen werden. Um ihre Gipfel türmten sich gefährliche, dunkelgraue Wolken, die aussahen, als wollten sie hinabrollen und uns verschlingen. Glücklicherweise machten die fluffigen Ungetüme der Sonne Platz, sodass uns ein angenehm warmer Tag bevorstand. In Portee stiegen wir wieder in den kleinen Bus, der das Trotternish Loop – den Nordwesten der Insel – abfährt. Mit uns circa hundert Senioren, die es sich bereits in den Sitzen gemütlich gemacht hatten und mit Smartphones und iPads die vorbeiziehende Natur fotografierten.

Dramatische Felslandschaft auf der Isle of Skye

Schaf mit schwarzem Gesicht steht in der Natur

Einsame Telefonzelle auf der Isle of Skye

Wir wollten den Quiraing Way laufen, ein Wanderweg entlang ikonischer Felsformationen. Der Busfahrer ließ uns direkt am Angangspunkt raus, wo eine einsame rote Telefonzelle vor der Berglandschaft stand. Über den geteerten Pfad liefen wir auf die gigantischen Berge zu, vor uns eine unendliche, grau-braune Weite. Die Stille nur unterbrochen von den Autos, die ab und an vorbeifuhren und den Schafen, die sich gegenseitig anblöckten. Ein kleines Lamm mit schwarzem Gesicht kam neugierig auf uns zu, doch machte auf den Ruf seiner Mutter sogleich kehrt. Wir setzten uns ins Gras, atmeten die frische Luft ein und saugten die friedliche Atmosphäre auf. Nach dem Rückweg hatten wir noch Zeit, uns kurz an die Küste zu begeben, wo die Ruhe dem Rauschen des Meeres wich.

Blick auf das Meer vor der Isle of Skye

Zaun um ein Stein-Häuschen herum

In Portee steigen wir wenig später in den Fernbus, der uns nach Inverness bringen sollte. Die Sonne zeichnete die Schatten der Wolken, die nun wieder aufgezogen waren, in die Landschaft. Ich machte die Augen zu und wachte erst an unserem Endziel wieder auf.

Blick auf den Quiraing Way, einen Wanderweg mit Sicht auf die Felsen

Im Hostel in Inverness angekommen war es bereits spät, doch ich unterhielt mich so gut mit zwei Mädels auf meinem Zimmer, dass wir uns noch ein wenig zusammen in die Lounge setzen. Bevor es am kommenden Tag zum Flughafen zurückging, wollte ich – im Gegensatz zu meinem Bruder – unbedingt noch Inverness anschauen. Ich schlenderte gemütlich durch die wenigen Gassen der noch schlafenden Stadt. Bei einem Spaziergang am Fluss, einem Seitenarm des Loch Ness, bewunderte ich die herrschaftlichen Steinhäuser am Ufer und das Inverness Castle, das über der Ortschaft thront. Ich gönnte mir einen letzten Kaffee im „Grain and Grind“, einem wunderschönen Café, in dem ich der erste Kunde war. Als ich wenig später wieder aufbrach, hatte sich bereits eine ordentliche Schlage am Thresen gebildet. Über den Victorian Market, eine überdachte Einkaufspassage mit kleinen Läden für Geschenke und Souvenirs, lief ich zum Bahnhof, wo ich meinen Bruder traf.

Greig Street Bridge in Inverness

Victorian Market, ein überdachte Einkaufspassage in Inverness

Straße von Inverness

Nach und nach versammelten sich zahlreiche Fußball-Fans, im Schottenrock gekleidet, in der Wartehalle. Genau wie wir waren sie auf dem Weg nach Glasgow, um die Nationalmannschaft im Spiel gegen die Ukraine anzufeuern. Plötzlich war es eine ganze Meute, die ungeduldig darauf wartete, dass das entsprechende Gleis auf der Anzeigetafel erschien. In Anbetracht des Ansturms verzichtete das Bahnpersonal darauf, die Reisenden einzeln durch die Drehkreuze zu jagen und öffnete schlicht den Zugang zu den Schienen. Ich fühlte mich wie beim Einlass eines Konzertes. Doch in der Bahn verteilten sich die Passagiere ganz gut auf die einzelnen Wagons. Als wir in die letzte Bahnstation vor Glasgow einfuhren, fiel mein Blick auf das verschnörkelte Dach der Haltestelle, das auf blau und weiß lackierten Pfeilern ruht. Blau und weiß – die Farben der schottischen Flagge.

Laura

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