Noch drei Stunden über der Erde. Der Flug ist gut. Meine Hände sind staubtrocken, die Finger fast taub vom Tippen und Schreiben. So viele verschiedene Menschen sind an Bord. Eine Familie auf dem Weg in den Urlaub. Die Eltern unterhalten sich über die Augenfarbe ihrer Kinder. „Sie hat so einen gelben Ring im Auge, genau wie du“, sagt der Vater zur Mutter. Wenn das Flugzeug wackelt, greift sie panisch seine Hand. Er fummelt eine Tablette aus dem Handgepäck und reicht sie ihr.

Ein Geschäftsmann, der seit Stunden emsig auf die Tasten seines Laptops haut. Neben mir ein italienisches Paar, die sich direkt nach dem Einsteigen eine Miniatur-Flasche Bombay-Gin gegönnt hat. Seitdem sind sie verzweifelt auf der Suche nach Alkohol. Rotwein zum Essen, aber wie, es gibt keine Longdrinks? „Ich kann keine Cocktails bestellen?“, fragt er die Stewardess fast schon entsetzt. Hinter mir die zischenden Laute einer slawischen Sprache. Keine Ahnung, um welche es sich handelt. Aber sich eine mit viele Akzenten und Häckchen.

Ein paar Meter vor mir sitzt das wohl putzigste Kind der Welt: Ein fröhlicher, kleiner Latino mit Korkenzieher-Löckchen, der schon am Flughafen aufgeregt durch die Wartehalle gerannt ist. Nun steht er auf seinem Sitz, überwacht das ganze Flugzeug, winkt den übrigen Passagieren zu und brabbelt in einer nur für sich verständlichen Sprache vor sich hin. Unfassbar, dass wir mitten über dem Ozean sind, so viele unterschiedliche Menschen, Sprachen, Kulturen auf engstem Raum. Drei Stunden, 17 Minuten. Dann die zähe Standard-Prozedur. Warten aufs Aussteigen, Koffer holen, Passkontrolle. Dann hoffentlich direkt ab zur Unterkunft. Und wenn ich dann dort bin, gehe ich zum Strand. Karibik, nur ich mit mir selbst heute Abend. Ich hoffe so sehr, dass ich es zum Sonnenuntergang schaffe.

Die Stewardessen gehen eine letzte Getränke-Runde, Sekt scheint aber keine Option mehr zu sein – sehr zum Jammer des italienischen Pärchens. Eine Stunde und 15 Minuten noch bis sich diese intime Gemeinschaft auflöst. Hunderte Menschen auf engstem Raum, im selben Boot – Pardon, Flugzeug. Das gleiche Reiseziel, das gleiche Los hier oben über den Wolken. So nah beieinander und doch so fern. Ich bin jetzt schon in der Karibik, in meinem nächsten Abenteuer. Eine Stunde und elf Minuten.

39 Minuten. Sekt gab es nicht, aber Wein. Vor den Toiletten bildet sich eine Schlange, ich gehöre auch dazu. Vorsichtshalber, nur für den Notfall, sicher ist sicher. Auf der Toilette hat Jemand eine graue Jacke aufgehängt und vergessen. Wie absurd. Wie kann man nur eine Jacke auf einer Flugzeugtoilette vergessen? Ich will am Flughafen keine Sekunde mit Pinkeln verschwenden. Ich will nur schnell durch, in die Unterkunft, kurzen Text rumschicken, dass ich noch lebe. Kurze Hose anziehen und dann ab an den Strand. 34 Minuten noch.