Die tausend Abenteuer der wilden Yogalehrerin Danni

Mühelos gleitet Danni in eine tiefe Kniebeuge. „Wenn ihr so weit kommt – großartig!“ ruft sie uns Yogaschülern zu. „Wenn ihr noch einen draufsetzten wollt, könnt ihr das versuchen.“ Dann platziert sie ihre Hände hinter ihren Füßen auf den Boden, legt ihre Oberschenkel auf ihren gebeugten Armen ab und reckt ihr Beine in die Luft. Dabei balanciert sie nur auf ihren Handflächen. Wir klatschen Beifall und probieren anschließend selbst, in die Pose zu kommen, wobei wir immer wieder hinfallen, lachen und uns über kleine Fortschritte freuen. Unterrichtsstunden bei Danni während meiner Yogalehrerausbildung in Peru waren jedes Mal eine Freude.

Yoga teacher Danni performing a complex pose

Die studierte Schauspielerin reicherte ihre Einheiten immer mit ironischen Witzen, kurzen Schauspiel-Elementen und lauten Schreien der Begeisterung an. Dass sie für die zwei Wochen nach Peru gekommen war, ist ein glücklicher Zufall gewesen. „Fünf Tage vor Beginn der Ausbildung kontaktierte mich der Chef der Yogaschule“, erzählt mir Danni, als wir bei einem Kaffee zusammensitzen. Einer der Lehrer sei kurzfristig ausgefallen, sodass er Danni – die sich schon Monate im Voraus beworben hatte – bat, einzuspringen. Zu dem Zeitpunkt lebte sie gerade in Mexiko und hatte passenderweise eine Absage für ein Theater-Engagement in Finnland erhalten. Peru war also die perfekt Alternative.

Danni smiling at the camera

Danni stammt aus Irland, worauf sie inzwischen sehr stolz ist. „Als ich von Zuhause weggezogen bin, haben sich Menschen plötzlich dafür interessiert, dass ich irisch bin“, erzählt sie mir, wobei sie nachdenklich lächelt. Mittlerweile wisse sie Irland viel mehr zu schätzen. „Aber das kam erst, als ich meiner Heimat den Rücken gekehrt habe“, fügt sie hinzu. Inzwischen ist die ganze Welt ihre Heimat. Bereits mit 18 Jahren verließ sie Irland, um in Großbritannien Schauspiel zu studieren. Gerade einmal drei Jahre später fand sie sich in Hongkong wieder. Eigentlich wollte sie nach dem Abschluss nach London ziehen „und eine berühmte Schauspielerin werden“. Doch das Großstadtleben konnte sie sich nicht leisten. Das Angebot eines Theater-Agenten aus China kam dann gerade recht. „Es handelte sich um eine Ausbildung von sechs Wochen. Wer danach einen Job angeboten bekam, konnte bleiben. Wer nicht, bekam einen Rückflug bezahlt“, berichtet Danni.

Danni at the restaurant of the Yoga school

Ohne jeglichen Hintergedanken ergriff sie die Chance – und blieb mehr als zwei Jahre in Hongkong. Sie klatscht in die Hände und streicht sich durch ihre wallende Löwen-Mähne, als sie an die aufregende Zeit zurückdenkt. Zusammen mit ihrer besten Freundin lebte sie in einem Appartement mitten in der Stadt und unterrichtete Theater für reiche Schulkinder. „Wir waren selbst wie zwei Kinder auf einem Spielplatz“, erinnert sie sich und kann sich ein Lachen kaum verkneifen. Der Lohn sei großartig gewesen, sie seien jeden Tag Essen gegangen, hätten das Nachtleben zelebriert und viele Ausflüge unternommen. Damals entdeckte sie auch schon Yoga für sich. „Ich habe es aber nur für meine Fitness gemacht“, sagt sie. Sie schwitzte regelmäßig in einem schicken Studio bei lauter Musik, nahm ein ausgiebiges Bad danach und stürzte sie anschließend in die nächste Party. Mit ihrer besten Freundin unternahm sie zahlreiche Reisen in Asien während der Zeit. „Hongkong ist der perfekte Ausgangspunkt dafür“, erklärt Danni. Südkorea, Thailand, Vietnam, Taiwan, die Philippinen. Die Liste der bereisten Länder wuchs immer weiter. Bis Danni sich nach einem neuen Abenteuer sehnte.

Danni demonstrating an advanced Yoga pose

Eines Tages buchte sie also ein One-Way-Ticket nach Argentinien. „Ich hatte keine Ahnung, was ich dort machen würde“, gibt sie zu und zuckt die Schultern. Derzeit war Danni mit einem Reiseführer und einer Karte unterwegs. Smartphones, Google Maps und soziale Netzwerke waren noch Zukunftsmusik. Dabei lernte sie eine der wertvollsten Lektionen in ihrem Leben: „Frag die Menschen, spricht mit den Einheimischen.“ Natürlich müsse man immer vorsichtig sein und auf sich aufpassen, aber über die Jahre hat Danni eine hervorragende Menschenkenntnis und Intuition entwickelt.

Danni teaching a Yoga class

Sie erinnert sich an eine Situation, in der sie erst Angst verspürt hatte, aber am Ende nichts als Dankbarkeit. In Indien stieg sie mit ihrer Reisebegleitung in ein Tuk Tuk und bat den Fahrer, sie dorthin zu bringen, wo er jeden Tag zu Mittag isst. „Ich will nämlich immer gerne das unternehmen, was Einheimische machen“, betont sie. Wenig später steuerte der Mann das Gefährt auf eine verlassene Landstraße, der sie 45 Minuten lang folgten. „Ich dachte, das wäre mein Ende“, erzählt Danni, wobei sie dramatisch mit den Händen gestikuliert. Doch plötzlich kamen sie in einer Slum-Siedlung an, wo die Familie des Fahrers sie erwartete. „Hier esse ich jeden Tag zu Mittag“, erklärte er. Danni speiste also gemeinsam mit der Familie. „Das sind Dinge, die kann man nicht lernen. Die muss man einfach erleben“, ruft sie euphorisch. Trotzdem sei es immer ein schmaler Grat zwischen Vertrauen und Vorsicht.

Danni speaking at the closing ceremony of the Yoga teacher training

Die Irin glaubt an Karma. Wann immer sie einem Fremden Vertrauen entgegengebracht oder anderen Menschen geholfen habe, seien diese guten Taten zu ihr zurückgekommen. Einer der vielen, philosophischen Gedanken, die wir im Unterricht mit Danni diskutierten. Wenn wir theoretische Stunden bei ihr hatten, saßen wir in Decken gekuschelt im Kreis und sprachen oft über moralische Grundsätze. Obwohl die aufgedrehte Yogalehrerin vor Energie fast übersprudelt, hat sie auch eine sanfte, stille Seite. Ihre beruhigende und mitfühlende Ausstrahlung machte es einfach, uns ihr zu öffnen. Nicht selten gaben wir in den Stunden mit ihr unsere intimsten Gefühle und Probleme preis. Scherzhaft bezeichneten wir die Stunden im Nachhinein meist als therapeutische Sitzungen. Bei uns allen war Danni sehr beliebt. Während der Mahlzeiten in der Yogaschule setze sie sich jedes Mal an einen anderen Platz, um mit jedem von uns ins Gespräch zu kommen. Sie erzählte dabei nicht nur aus ihrem abenteuerreichen Leben, sondern wollte auch unsere Geschichten hören. Mit hochgestecktem Haar und dem Kopf auf die Hände gestützt, schlürfte sie ihren Mate und lauschte gespannt unseren Erzählungen.

Danni eating an ice cream

In ihrem eigenen Leben begann mit dem Umzug nach Argentinien ein völlig neues Kapitel. Zunächst unterrichtete sie Englisch und Schauspiel in dem südamerikanischen Land, doch dann sehnte sie sich danach, selbst wieder auf der Bühne zu stehen. Sie fand eine englischsprachiges Theater-Gruppe, die durch ganz Lateinamerika reiste. „Die Bezahlung war extrem schlecht, aber wir kamen richtig gut rum“, berichtet sie. Kolumbien, Panama, Brasilien, Paraguay, Uruguay. Wieder einmal konnte Danni unzählige Länder sehen. Einen Luxus, den sie sich niemals hätte leisten können. „Wir waren diese verrückten Hippies, die zusammen im Van unterwegs waren“, beschreibt sie die Zeit und bricht mal wieder in schallendes Gelächter aus. Wenn sie in den kleinen lateinamerikanischen Dörfchen ihre Zelte aufgeschlagen haben, seien sie für die Einwohner eine Art Zirkus gewesen. Der Kontrast zur Kultur in Hongkong hätte nicht größer sein können. „Die Arbeit war härter, der Lohn viel geringer, aber dafür sprüht Südamerika nur so vor Leben“, erklärt sie. In China hingegen habe sie in einer perfekt organisierten Blase gelebt. „Es war fantastisch, aber etwas fehlte mir in Hongkong“, lautet ihr Fazit.

Danni helping a student into a headstand

Neben dem Schauspiel gab es eine zweite Sache, die sich durch ihre Reisen zog – Yoga. Bei ihrer ersten Yogastunde in einem Studio in Buenos Aires lernte sie eine Einheimische kennen, die auch Zuhause unterrichtete und Danni einlud. Eine völlig neue Erfahrung für die feurige Irin. Denn dabei ging es um mehr als nur die körperliche Praxis. Auch Meditation, Atemübungen und Techniken, „um den Kopf freizubekommen“ waren Bestandteil ihrer Stunden. Im Anschluss bereitete die Argentinierin einen ayurvedischen Tee zu und sprach mit ihren Schülern über deren Gefühle. „Und plötzlich musst du weinen und weiß gar nicht, warum“, sagt Danni. Ein Erlebnis, das wir Yogaschüler alle genauso erlebten während unserer Ausbildung. Zum ersten Mal sah die Schauspielerin Yoga als Mittel, um tiefer in sich selbst zu horchen und Emotionen freien Lauf zu lassen. Wenn sie mit ihrer Theater-Crew unterwegs war, suchte sie an jedem neuen Ort eine lokale Unterrichtsstunde. So lernte sie verschiedene Stilrichtigen kennen und begriff, dass Yoga für Menschen allen Alters und aller Körpertypen zugänglich ist.

Danni at an excursion into the jungle

Nach zwei Jahren in Südamerika zog es Danni erst einmal zurück nach Großbritannien, wo sie für ein Jahr eine Zirkus-Schule besuchte. Das Yoga begleitete sie weiterhin. „Ich suchte mir immer eine Ecke, in der ich meine Praxis übte“, erinnert sie sich. Mehr und mehr Kollegen entwickelten Interesse daran und baten Danni, sie zu unterrichten. Da sie keine zertifizierte Lehrerin war, scheute sie sich erst. Doch dann beschloss sie, ihre Yoga-Einheiten mit den anderen zu teilen. Den Entschluss, sich selbst als Lehrerin ausbilden zu lassen, fasste sie erst nach einer herzbrechenden Trennung. „Ich war niedergeschlagen, unglücklich und wollte einfach nur raus“, denkt sie an die schwere Zeit zurück.

Danni sitting on the floor

Also floh sie nach Indien, wo sie eine sechswöchige Yogalehrerausbildung absolvierte. Danach flog sie erneut einmal um die Welt und landete dieses Mal in Barcelona, wo sie jedoch nicht allzu lange blieb. Sie merkte nämlich, dass ihr Yoga-Stil, Ashtanga, damals keinen Anklang fand. „Ich kehrte nach Indien zurück, um noch mehr zu lernen und andere Yoga-Stile unterrichten zu können.“ Die Schule fragte Danni dann direkt, ob sie nicht noch ein paar Monate länger bleiben und direkt dort unterrichten wolle. Eine Gelegenheit, die sich die abenteuerlustige Irin logischerweise nicht entgehen ließ. Währenddessen lernte sie die Inhaberin einer anderen Schule in Portugal kennen, die Danni ebenfalls einlud. Ihr nächstes Reiseziel stand damit fest. „Ich habe das nie geplant, es hat sich alles immer ergeben“, sagt sie im Rückblick.

Danni giving adjustments during a Yoga class

Mittlerweile hat die Schauspielerin in den verschiedensten Winkeln der Erde gewohnt, denn: „Ich blieb nie länger als zweieinhalb Jahre an einem Ort“, erklärt sie. „Nach dieser Zeitspanne habe ich immer eine neue Herausforderung gebraucht.“ Doch das Land, in dem sie sich am meisten Zuhause fühlt, ist Mexiko. Die laute, lustige, pulsierende Kultur passt perfekt zu der wilden Yogalehrerin. „Die Leute sind den Iren sehr ähnlich“, findet sie. Genau wie ich ihrer Heimat esse, trinke und plaudere man gerne in Mexiko. „Sie sind neugierig, fragen dich aus“, ergänzt sie. „Und beiden Kulturen wissen, wie man das Leben genießt.“ Überraschenderweise sind auch beide Völker sehr abergläubisch.

Danni lighting a candle

Dass irische Bräuche sehr gut in ein lateinamerikanisches Land passen, demonstrierte Danni während einer Meditations-Einheit. Statt im Schneidersitz und in Stille auf dem Boden zu sitzen, lernten wir die „Walls of Limerick“, einen traditionellen, irischen Volkstanz. Wir sprangen und wirbelten uns gegenseitig durch den Raum, während uns keltische Musik in den Ohren dröhnte. Nach nur wenigen Minuten waren wir ordentlich durchgeschwitzt und kamen kaum aus dem Lachen heraus. Dank des anschließenden Muskelkaters in meinen Waden erinnerte ich mich noch tagelang an die spaßige Mediations-Einheit. Auch ein Stück Mexiko hatte Danni mit im Gepäck: Ihren geliebten Mate-Tee. Mit den getrockneten Blättern und ihrer länglichen, hochgeschlossenen Tasse sprang sie jeden Morgen während wir anderen schon am Essen waren, aus dem Gebüsch und goss sich erst einmal ihr Getränk auf.

Danni instructing a Yoga class in the morning

Manchmal trafen wir die Yogalehrerin aber auch schon vor dem Frühstück. Nämlich wenn sie die erste Einheit des Tages um sechs Uhr in der Frühe unterrichtete. Am Ende der zwei Wochen zeigte sie uns ihre eigene Praxis: Ashtanga-Yoga. Eine Stilrichtung, bei der die Posen in einer festgelegten Reihenfolge hintereinander ausgeführt werden. Ashtanga zeichnet sich durch schnelle Bewegungsabläufe und fordernde Körperhaltungen aus. Nach der Unterrichtsstunde verstanden wir alle, wieso Ashtanga als der härteste Yoga-Stil überhaupt gilt. Dass Danni sich ausgerechnet für diese Richtung entschieden hatte, hatte zunächst rein pragmatische Gründe. „Meine erste Ashtanga-Stunde war auf Spanisch“, erzählt sie. Eine Sprache, die sie bis heute nur bruchstückhaft spricht. Doch da die Bewegungssequenzen immer dieselben sind, musste Danni sich lediglich an die Abfolge der Posen erinnern. Anders zum Beispiel beim Vinyasa-Yoga, wo die Bewegungen und Anweisungen immer variieren und Danni stets die Lehrer im Blick behalten musste. Mittlerweile sind ihr die Ashtanga-Sequenzen ins Blut übergegangen. „Die Praxis erdet mich“, sagt sie. Für Danni ist der Yoga-Stil ein Anker, die einzige Routine in ihrem sonst so chaotischen Alltag. „Ich stehe auf, muss nicht nachdenken, sondern mich einfach nur bewegen.“

Danni showing her brightest smile

Yoga half Danni außerdem, sich selbst intensiver kennenzulernen. Als Schauspielerin kommt sie aus einer harten Branche, in der sie sich immer wieder gegen die Konkurrenz beweisen muss. Den Wettbewerb suchte sie auch erst im Yoga und war am Anfang frustriert, wenn sie die Posen nicht sofort ausführen konnte oder die anderen Kursteilnehmer alle plötzlich in einen Handstand sprangen, was Danni erst noch lernen musste. „Ich habe gemerkt, wie verbissen ich bin“, gibt sie zu und schiebt sogleich hinterher: „Doch so wollte ich mein Leben auf Dauer nicht leben.“ Sie lernte, zu reflektieren, in sich zu gehen, sich selbst mit mehr Sanftmut zu behandeln. Das, was ihr im Leben geholfen hat, gibt sie als Yogalehrerin nun an andere weiter. „Das gibt dem Reisen einen Zweck, man ist mit einer ganz anderen Überzeugung unterwegs“, meint sie. Man lebe für eine Weile an einem Ort, lerne die Menschen und die Kultur kennen und bringe dafür Yoga mit. Ein perfekter Austausch, findet die Irin.

Danni in a river posing with Yoga students

Ihre grau-grünen Augen leuchten. Ihr Iris ist von zahllose, bernsteinfarben Sprenkel durchzogen. Fast könnte man meinen, jeder von ihnen stehe für eines der tausend Abenteuer, die Danni im Laufe ihres Lebens gesammelt hat. Wo es als Nächstes hingeht, kann sie heute noch nicht sagen. „Für den nächsten Monat habe ich noch nichts organisiert“, gibt sie zu. Eine Tatsache, die die Schauspielerin nicht mehr aus der Ruhe bringen kann. „Ich habe gelernt, einfach zu vertrauen“, sagt sie mit einem breiten, schelmischen Grinsen auf den Lippen. Und eines steht fest: Egal wo auf der Erdkugel Danni landet und was sie dort machen wird – die Yoga-Praxis bleibt.

Laura

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