Auf der Überfahrt zur Insel Dugi Otok, unserer ersten Insel in Kroatien, regnete es in Strömen und kalter Wind pfiff durch unsere Kleidung. Doch kaum hatten wir am Hafen von Brbinj angelegt, verzogen sich die Wolken und machten einer strahlenden Sonne Platz. Da unsere Unterkunft in der Mitte der 43 Kilometer langen Insel lag, beschlossen wir, einen Tag die Nord- und am nächsten Tag die Südhälfte zu erkunden. Wir fuhren also Richtung Norden und klapperten die Küste ab.

Immer wieder blieben wir stehen, beide atemlos und begeistert von der unberührten Natur. Felsige Klippen, saftig grüne Hügel und kristallklares Wasser, aus dem noch mehr kleinere Inseln in die Höhe ragten. In den Dörfchen, malerische kleine Ortschaften mit bunten Häuschen, war deutlich zu merken, dass wir uns außerhalb der Hauptsaison befanden. Es waren kaum Menschen auf der Straße – außer eine Gruppe älterer Männer, die vor einem Kiosk Bier tranken und uns ungläubige Blicke zuwarfen. Vor den geschlossenen Restaurants türmten sich aufeinandergestapelte Stühle, geduldig auf den Sommer wartend. Wir fühlten uns, als hätten wir die ganze Insel für uns allein!

An der nördlichsten Spitze kamen wir an zwei wunderschönen Sandstränden vorbei: Der Sakarun Beach und Veli Rat, eine schmale Landzunge, die ins Meer ragt und von einem Leuchtturm bewacht wird. Am Ufer schauten wir uns den Sonnenuntergang an, dabei gesellten sich drei kleine Kätzchen zu uns. Auf dem Rückweg zu unserer Unterkunft pflückten wir Thymian und Rosmarin am Wegrand und sammelten Kaktusfeigen ein. Versehentlich packten wir die Früchte in eine Tüte mit unserem Brot. So gelangten die Brennhaare der Kaktusfeigen in das Brot und blieben beim Abendessen in unseren Fingern und unserer Zunge stecken. Mit einer Pinzette operierten wir die kleinen Dornen wieder raus. Lektion gelernt.

Unser Airbnb, eine goldige Pension mit unfassbar toller Aussicht, lag in dem Dörfchen Luka. Gastgeber Jure, einer der warmherzigsten und offensten Menschen, denen ich je begegnet bin, empfing uns mit hausgemachtem Wein und getrockneten Feigen. Aus der Terrasse saßen wir lange mit ihm zusammen und unterhielten uns bis es dunkel wurde und die Sterne am Nachthimmel glitzerten.

Am nächsten Tag nahmen wir uns den Süden von Dugi Otok vor und steuerten den Naturpark Telašćica an. Wir stellten unser Auto an und nach nur wenigen Minuten Aufmarsch kamen wir an einem Aussichtspunkt an. Vor dort bot sich uns ein traumhafter Blick auf die beeindruckende Steilküste. Zerklüftete Felsen, die sich aus dem tiefblauen Wasser erheben. Wir ließen uns die Sonne ins Gesicht scheinen und erspähten in der Ferne sogar Delfine! Anschließend wanderten wir eine Runde um einen See, streichelten ein paar Esel, die am Wegrand gemütlich grasten und begaben uns zu einem weiteren Aussichtspunkt, dem „Fort Grpašćak“. Die Festung liegt auf einem Hügel, den man komplett mit dem Auto hochfahren kann. Oben angekommen konnten wir bis zum Ende von Dugi Otok blicken.


Zum krönenden Abschluss wollten wir schwimmen gehen. Wir legten einen kleinen Zwischenstopp in Sali, mit 700 Einwohnern der größte Ort der Insel, ein und fuhren dann Richtung Küste. Die Straße verwandelte sich in eine hügelige Schotterpiste, weshalb wir nur langsam vorankamen. Umso mehr konnten wir die Aussicht auf die grünen Wälder und die Nachbarninseln genießen. Am Ufer kamen wir an der Villa Rustica vorbei. Entgegen unserer Erwartungen kein römisches Herrenhaus, sondern leidglich eine Ruine.

Um ins Meer zu gelangen, mussten wir erst einmal über Stock und Stein klettern. Doch dann genoss ich das angenehm kühle Wasser und die Strahlen der untergehenden Sonne im Gesicht. Ein Bad im Meer Mitte Oktober – ein Traum! Allerdings nahm der Badespaß ein jähes Ende. Schon wenige Meter von der Küste entfernt zog uns eine unerwartet starke Strömung aufs Meer. Außerdem war der felsige Boden von Seeigeln gespickt. Sicherheitshalber flüchteten wir wieder an Land.


Zurück in unserer Unterkunft feuerten wir den Grillkamin unseres Gastgebers an. Wir packten Pilze, Paprika, Zucchini und Brot ins Feuer und würzten mit unseren gepflückten Kräutern. Während ich mich von den Flammen wärmen ließ, lauschte ich den Geschichten unseres Gastgebers über das Kroatische Landleben. Unser Grillgut verspeisten wir mit jeder Menge Ajvar – von da an wurde das Barbecue unser tägliches Ritual.

Aufgrund zahlreicher Moskitos hatte ich eine unruhige Nacht. Doch Jure sorgte dafür, dass ich ganz schnell munter wurde: Er servierte uns selbst gebrannten Grappa und Johannisbrot-Likör. So verbrachten wir noch ein paar Stunden bei ihm auf der Terrasse. Zum Aufbruch schenkte er uns getrocknete Feigen und hausgemachtes Olivenöl. Schätze, die wir mit zurück in die Heimat brachten. Danach besichtigten wir den Rest von Dugi Otok. Angefangen mit den Dörfchen Zaglav und Žman. Vergeblich versuchten wir, im ersten Ort einkaufen zu gehen. Denn die Verkäuferin, die ihre Mittagspause antreten wollten, warf uns wieder aus dem Markt. Immerhin bekamen wir zwei Zitronen und einen Fisch-Kalender für das kommende Jahr umsonst.

Auf Empfehlung unseres Gastgebers machten wir eine Mittagspause an der Brbinjšćica Bucht. Ein abgelegener Strand mit zwei verfallenen, steinernen Hütten. An dem einsamen Ufer grillten uns unser restliches Gemüse. Zum Nachtisch probierten wir endlich die Katusfeigen, nachdem wir die Brennhaare im Feuer versengt hatten. So lecker! Wir legten uns in die Sonne, lauschten dem Meeresrauschen und atmeten den letzten Duft des brennenden Holzes ein.


Vor der Überfahr zurück aufs Festland schauten wir uns noch den Sakarun Beach an. Ein weiter Sandstrand, der genauso verlassen war wie die Bucht. Lediglich ein paar Katzen kreuzten unseren Weg. In der Hochsaison gilt der Strand als einer der Hotspots der Insel und ist bei Urlaubern sehr beliebt. Geschlossene Imbissbuden und Schaukeln stehen am Uferrand.

Für die Rückfahrt kauften wollten wir noch ein paar Snacks kaufen und hielten an einem kleinen Markt im Dörfchen Soline an. Aufgrund der Corona-Beschränkungen durften immer nur zwei Personen den Laden betreten. Also reihten wir uns in die Schlage der Einheimischen an. Entspannt lehnten die Kroaten an der Hauswand, rauchten und lachten miteinander. Ich wünschte, ich hätte sie verstehen können! Kurze Zeit später fanden wir uns auf der Fähre ein und ließen uns zurück auf Festland schippern.
